Pflegereform: Heimbewohner werden entlastet, aber nur ein bisschen
Im Juni 2021 hat die Große Koalition aus Union und SPD noch eine Pflegereform auf den Weg gebracht. Ziel war es unter anderem, Heimbewohnerinnen und Heimbewohner zu entlasten, die vollstationär in einem Pflegeheim betreut werden müssen. Denn hier explodieren die Kosten seit Jahren. Mitte 2021 lag der Eigenanteil, der selbst von den Betroffenen gestemmt werden muss, im Bundesschnitt bereits bei 2.125 Euro im Monat, wie Statistiken der Ersatzkassen zeigen. Zum Vergleich: 2018 waren es noch 1.795 Euro. Innerhalb von drei Jahren hat sich die Pflege um rund ein Fünftel verteuert!
Entlastet werden die Pflegebedürftigen aber nur bei jenen Pflegekosten, die sich auf die Pflege selbst und die Aufwendungen für die Ausbildung von Heimpersonal beziehen. Hierbei gilt es zu bedenken, dass sich Pflegeheim-Kosten aus mehren Teilbereichen zusammensetzen, die alle von den betreuten Pflegepatienten mitfinanziert werden müssen:
- die „reinen“ Pflegekosten, auch als Einrichtungseinheitlicher Eigenanteil (EEE) bekannt. Dieser betrug im Juli 2021 879 Euro der finanziellen Lasten, die Pflegebedürftige selbst zahlen müssen. Und auf diesen Teil bezieht sich auch im Wesentlichen die Entlastung ab 2022.
- die Kosten für Unterkunft und Verpflegung
- die Kosten für notwendige Investitionen am Heim sowie die Ausbildung
Hier sind künftig Leistungszuschläge für die Pflegegrade 2 bis 5 geplant. Um wie viel sie entlastet werden, richtet sich nach der Länge des Pflegeheim-Aufenthaltes: Im ersten Jahr sollen die Bedürftigen bzw. zahlpflichtige Angehörige die vollen Pflegekosten tragen. Im zweiten Jahr sollen die Eigenanteile dann um 25 Prozent sinken, nach mehr als 24 Monaten um die Hälfte. Bei Pflegebedürftigen, die 36 Monate und länger stationär betreut werden, soll sich der Eigenanteil gar um 75 Prozent reduzieren. Um das notwendige Geld aufzubringen, sollen Kinderlose künftig 0,1 Prozent mehr Pflegebeitrag zahlen. Angefangene Monate im Pflegeheim werden als voll gerechnet.
Doch wie bereits erwähnt: Der Eigenanteil für Unterkunft und Versorgung muss weiterhin voll gezahlt werden, wenn Personen im Pflegeheim betreut werden. Allein dieser Teil betrug im Juli 2021 im Bundesschnitt 791 Euro im Monat, weitere 461 Euro kamen für die Investitionen hinzu. So zweifeln auch Sozialverbände, ob die Entlastungswirkung der Reform hoch ausfallen wird. Umso wichtiger ist es, mit einer Pflegezusatzversicherung für den Ernstfall vorzusorgen. Denn Pflegebedürftigkeit bleibt eines der größten Armutsrisiken für Betroffene und Angehörige.
Mehr Unterstützung für Pflege in den eigenen vier Wänden
Die Mehrheit der Pflegebedürftigen wird nicht stationär im Heim betreut, sondern in den eigenen vier Wänden von Angehörigen: Das trifft laut Bundesgesundheitsministerium auf über 80 Prozent der Pflegebedürftigen zu. Auch für diese Menschen soll es mehr Unterstützung geben. Demnach werden ab dem 1. Januar 2022 die Beträge für Pflegesachleistungen und für die Kurzzeitpflege angehoben.
Die Pflegesachleistungen werden um je fünf Prozent raufgesetzt. Demnach gibt es ab Januar 2022:
- für denPflegegrad 2: 724 Euro(statt bisher 689 Euro)
- für den Pflegegrad 3: 1.363 Euro(statt bisher 1.298 Euro)
- für den Pflegegrad 4: 1.693 Euro (statt bisher 1.612 Euro)
- für den Pflegegrad 5: 2.095 Euro (statt bisher 1.995 Euro)
Auch die Leistungen für die Kurzzeitpflege werden raufgesetzt. Gab es bisher maximal 1.612 Euro pro Kalenderjahr, so werden es künftig 1.774 Euro sein: ein Plus von zehn Prozent. Ein Wermutstropfen: Das Pflegegeld steigt nicht, sondern bleibt auf dem aktuellen Niveau.
Übergangspflege im Krankenhaus: neues Instrument
Bereits seit dem Juli 2021 gibt es die sogenannte Übergangspflege in der gesetzlichen Krankenversicherung: Die Ansprüche sind in § 39e SGB V geregelt. Sie soll dann greifen, wenn die Versorgung eines Patienten nach einer Behandlung im Krankenhaus zuhause nicht oder nur unter erheblichem Aufwand erbracht werden kann: etwa, weil keine Kurzzeitpflege, Reha oder andere Pflegeleistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch verfügbar sind. Für maximal zehn Tage können die Betroffenen dann länger in der behandelnden Klinik verbleiben. Der Anspruch bestehe für jeden Patienten, unabhängig von der Pflegebedürftigkeit.
Die Übergangspflege im Krankenhaus umfasst die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die Aktivierung der Versicherten, die Grund- und Behandlungspflege, ein Entlassmanagement, Unterkunft und Verpflegung sowie die im Einzelfall erforderliche ärztliche Behandlung. Sie muss bei der Krankenkasse beantragt werden, nicht bei der Pflegekasse. Das sollte möglichst zeitig geschehen.
Erstattungsansprüche über den Tod hinaus
Neu ist auch, dass bestimmte Erstattungsansprüche gegenüber der Pflegeversicherung nun von Erben und Rechtsnachfolgern eingefordert werden können, wenn sie Leistungen vorfinanziert haben und der Pflegebedürftige verstarb. Bisher konnte es passieren, dass hier Angehörige in Vorleistung gingen: und auf hohen Kosten sitzenblieben. Denn die Ansprüche erloschen nach dem Tod des Versicherten. Auch das wollte der Gesetzgeber ändern. Nun können unter anderem Gelder zurückverlangt werden, die für Verhinderungspflege, Entlastungsleistungen wie Tages- und Nachtpflege oder wohnumfeldverbessernde Maßnahmen gezahlt wurden. Nach dem Tod muss die Rückerstattung aber binnen von zwölf Monaten beantragt werden.